Zur Einordnung der Abberufung von Mitgliedern des Verwaltungsausschusses gemäß § 86 VwVfG
Dr. H. Dohmeier-de Haan
vorsitzendes Mitglied der Vertreterversammlung
Versorgungswerk der Zahnärztekammer Berlin
10. Juni 2025
Anlass und Ziel
In der Vertreterversammlung des Versorgungswerks der Zahnärztekammer Berlin wurden am 5. April 2025 sowie am 24. Mai 2025 insgesamt sechs Anträge auf Abberufung von Mitgliedern des Verwaltungsausschusses gestellt. Drei dieser Anträge erhielten die satzungsgemäß erforderliche Zweidrittelmehrheit und wurden damit beschlossen.
Die Rechtsaufsicht hat zu erkennen gegeben, dass solche Entscheidungen einen „wichtigen Grund“ im Sinne von § 86 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) voraussetzen.
Dieses Memo soll erläutern, wie sich die Vertreterversammlung mit dieser Anforderung auseinandergesetzt hat und warum sie sich – nach ausführlicher Diskussion – zu den getroffenen Beschlüssen veranlasst sah.
Rechtlicher Hintergrund: § 86 VwVfG
Nach § 86 VwVfG kann ein Ehrenamt nur dann entzogen werden, wenn ein „wichtiger Grund“ vorliegt. Die juristische Fachliteratur nennt hierfür verschiedene Gründe, etwa:
- eine gröbliche Pflichtverletzung
- die fehlende Fähigkeit zur ordnungsgemäßen Amtsausübung
- ein Verhalten, das als unwürdig für das Amt gewertet werden muss - oder – und das war für unsere Diskussion besonders maßgeblich – ein nachhaltig zerrüttetes Vertrauensverhältnis zwischen Gremium und ehrenamtlich tätiger Person.
Zur Lagebeurteilung durch die Vertreterversammlung
Die Diskussionen in der Vertreterversammlung, sowohl im April als auch im Mai, waren geprägt von dem Bemühen, die teils schwierige Gesamtsituation des Versorgungswerks angemessen zu bewerten – mit der gebotenen Differenzierung und Fairness. Die Anträge auf Abberufung waren keineswegs leichtfertig motiviert, sondern Ausdruck eines tiefgreifenden Ernstnehmens der Verantwortung gegenüber den Mitgliedern des Versorgungswerks.
Die zentralen Kritikpunkte, die zum Vertrauensverlust führten, lassen sich – zusammengefasst – wie folgt beschreiben:
1. Fehlende strategische Umsteuerung trotz bekannter Problemlage
2. Keine Initiative zur Neubesetzung der Direktorenstelle
3. Mangel an Transparenz und Kommunikation
4. Wahrgenommene fortdauernde Einflussnahme ehemals verantwortlicher Personen
Diese Punkte wurden in der Versammlung offen und sachlich zur Sprache gebracht. Den betroffenen Mitgliedern wurde das Wort angeboten, das teils auch genutzt wurde. Die Diskussion verlief trotz der Schwere des Themas in einem insgesamt respektvollen Rahmen.
Verfahren und Abstimmung
- Die Vertreterversammlung hat, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen, in geheimer Einzelabstimmung über jeden Antrag entschieden.
- In drei Fällen wurde die erforderliche Zweidrittelmehrheit erreicht, in den anderen nicht.
- Der rechtliche Grundsatz des rechtlichen Gehörs wurde beachtet.
Auch das zeigt: Die Entscheidung war nicht pauschal, sondern das Ergebnis eines differenzierten Meinungsbildungsprozesses.
Rechtliche Bewertung
Nach allem, was in der Versammlung diskutiert und gewichtet wurde, war für eine Mehrheit der Vertreterinnen und Vertreter der Punkt erreicht, an dem das Vertrauen in einzelne Mitglieder des Verwaltungsausschusses nicht mehr bestand. Genau dieser Verlust des Vertrauensverhältnisses kann – wie in § 86 VwVfG vorgesehen – einen tragfähigen Grund für eine Abberufung darstellen.
Die Vertreterversammlung hat sich bei ihrer Entscheidung erkennbar nicht von persönlichen Motiven oder parteilichen Erwägungen leiten lassen, sondern vom Willen, die Handlungsfähigkeit und Glaubwürdigkeit des Versorgungswerks zu sichern.
Abschließende Bemerkung
Ich bin mir bewusst, dass derartige Beschlüsse nicht nur juristisch, sondern auch menschlich schwer wiegen. Für die betroffenen Kolleginnen und Kollegen stellt eine Abberufung eine schmerzhafte Erfahrung dar – und für das gesamte Gremium eine Belastung. Umso wichtiger war es, den Vorgang sorgfältig, sachlich und im Einklang mit unserer Satzung und den gesetzlichen Vorgaben zu gestalten.
Vor dem Hintergrund der absehbaren Konfliktlage wurde im Vorfeld der Sitzung versucht, die Situation im Gespräch zu klären – auch mit dem Ziel, eine mögliche Abberufung durch freiwillige Rücktritte zu vermeiden. Da dies nicht erfolgt ist, lag es in der Verantwortung der Vertreterversammlung, die erforderlichen Entscheidungen im Rahmen ihrer Zuständigkeit zu treffen.
Die getroffenen Abberufungen sind – bei aller Tragweite – aus Sicht der Versammlung sachlich begründet und rechtlich tragfähig.
Dr. H. Dohmeier-de Haan
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