( Dieser Text wurde zum ersten Mal im Jahr 2002 veröffentlicht)
Die Selbstverwaltung der ärztlichen Professionen in Form der Kammern, aber auch der KZVen, stellt ein von der Gesellschaft den Ärzten und Zahnärzten gewährtes Privileg dar. Es handelt sich hierbei um eine historische Errungenschaft (was häufig vergessen und auch gerne – je nach Bedarf – falsch dargestellt wird). Über Jahrzehnte war es das Bestreben der in privatrechtlichen Vereinen und Verbänden organisierten Ärzte- und Zahnärzteschaft, für sich Strukturen zu erreichen, unter denen die staatlichen Behörden auf ihr bisher ausgeübtes unmittelbares Aufsichtsrecht über den einzelnen Arzt verzichteten und der verfassten Ärzteschaft Autonomie verliehen und damit den Bestand ein einheitliches Handeln bei weitgehender berufsinterner Selbstkontrolle ermöglichen sollten. Die hierfür notwendigen Gesetze konnten nur erreicht werden, weil der Staat in der Selbstverwaltung der ärztlichen Professionen eine Regulierungsoption (das Subsidiaritätsprinzip) zum Wohle der gesamten Gesellschaft erkannte. Als Grundlage der Kammerbildungen lässt sich demnach eine Art Vertrag zwischen der Ärzte- und Zahnärzteschaft und der Gesellschaft ausmachen, indem im Tausch gegen qualifizierte und kompetente Leistung die Gesellschaft den ärztlichen Professionen Autonomie in der Berufsausübung, Freiheit von sozialer Kontrolle durch Laien, Schutz gegen unqualifizierten Wettbewerb, ein hohes Einkommen und ein entsprechendes Prestige versprach. Damit wird deutlich, dass die Selbstverwaltung keine ausschließliche Angelegenheit der ärztlichen Berufsstände ist, die diesen die Möglichkeit zur einseitigen Verfolgung eigener Interessen gibt, sondern sie ist gleichzeitig auch eine der Allgemeinheit und dem Gemeinwohl verpflichtete Institution.
Je mehr sich in der Gesellschaft der (sehr verallgemeinerte) Eindruck verstärkte, dass die berufsständisch organisierte Zahnärzteschaft in weiten Bereichen der ihnen zugestandenen Selbstverwaltung keinen anderen Zielsetzungen folgte als denen der „individuellen Nutzenmaximierung“, desto stärker fühlten sich die politischen Parteien dazu aufgerufen, in das Politikfeld Gesundheitswesen mit ordnungspolitischen Maßnahmen (inklusive wahltaktischer Versprechungen) einzugreifen. Hintergrund dieser Entwicklung war es, dass die Kammern und KZVen zu oft zu unprofessionell auf sich verändernde Erwartungen in der Gesellschaft reagierten. Sie griffen die Erwartungen (z.B. Priorität der Zahnerhaltung statt Zahnersatz, Prophylaxe, Qualifizierung des Personals etc.) nicht auf, stimmten berechtigte Eigeninteressen mit den sich abzeichnenden Bedürfnissen der Gesellschaft nicht ab und versäumten es somit, Gesundheitspolitik im Konsens vorausschauend zu gestalten.
Dass die dadurch provozierten externen staatlichen Maßnahmen und Steuerungsversuche aufgrund ihrer Sachferne oft die Kosten im Gesundheitswesen noch weiter in die Höhe trieben, ist ein Faktum, auf welches die Zahnärzteschaft nachträglich zu Recht verweisen konnte, das gesamtgesellschaftlich jedoch oft nur noch als Rechtfertigungspolemik wegen eigener Untätigkeit wahrgenommen wurde. Dabei ist es auch wahr, dass die Politik „sich immer dann gerne auf das Subsidiaritätsprinzip beruft, wenn sie nur subsidiär mit unangenehmen Dingen in Verbindung gebracht werden möchte“. So ist es ein immer wiederkehrendes Ritual der politischen Parteien, auf die Eigenverantwortlichkeit der Zahnärzteschaft dann zu verweisen, wenn man selbst die Verantwortung von sich schieben möchte.
Gegen diese Entwicklung wurde berufsintern von Teilen der Zahnärzteschaft unter der sogenannten „Meinungsführerschaft“ des Freien Verbandes Deutscher Zahnärzte eine totale Konfrontationsstrategie aufgebaut, deren Ziel es sein sollte, der verstärkten staatlichen Steuerungstendenz durch einen weitestgehenden Ausstieg aus dem entwickelten System der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung zu begegnen. Unter dem leicht durchschaubaren Klischee der Wiederherstellung der gleichberechtigten Zweierbeziehung zwischen Arzt und Patient sollte durch „marktvermittelte Konkurrenz“ der sogenannten „Kostenexplosion“ begegnet werden, wohl wissend, dass die Steuerung des Marktes bei bestimmten Gütern, wie sie die Gesundheit nun einmal darstellt, in der Regel nicht zu einem gleichmäßigen, hoch stehenden Versorgungsniveau für alle führt.
So entstand nicht ohne eigenes Zutun der Zahnärzte das Bild von einem privilegierten Beruf, der als eine Gruppe von Marktteilnehmern angesehen wurde, von denen die hohe Wertschätzung der Gesundheit als kollektive Einkommensressourcen ausgebeutet wurde. Immer weniger wurde der Profession der Zahnärzte jene Ethik attestiert, durch die sie sich als Berufsgruppe mit besonderen Rechten hatte konstituieren können.
Unter dem laut verkündeten Anspruch des Freien Verbandes Deutscher Zahnärzte, die deutschen Zahnärzte zu repräsentieren, stehen wir heute vor einer Erosion der zahnärztlichen Selbstverwaltung. Es zeichnet sich ab, dass es zu einer staatlich verordneten Kompetenzbeschränkung bei den KZVen kommen wird und dass der Staat durchaus bereit ist, die Zahnärzte aus der, in Anführungszeichen, „Zwangsmitgliedschaft“, der selbst von vielen Berufsangehörigen so wenig geschätzten KZVen zu entlassen. Allerdings wird er dann freie Zahnärzte am Markt nicht, wie vom FVDZ postuliert, auf den Marktteilnehmer Patient stoßen, von seiner berufsständischen Solidargemeinschaft befreit, sondern er wird sich als alleiniger Vertragspartner der Krankenkassen wiederfinden, die unter Ausnutzung von Angebot und Nachfrage die zahnärztlichen Leistungen so marktgerecht gestalten und einkaufen werden. Das könnte dazu führen, dass die Mehrzahl der ehemaligen Zwangsmitglieder gerne an die Zeiten als Angehörige einer KZV erinnert wird. Dann wird auch deutlich werden, dass die Selbstverwaltung des Berufsstandes zwar kein ein für alle Mal erworbenes Recht ist, sondern eine zu erarbeitende Gegenleistung für versprochene und wahrgenommene Selbstverantwortung. Es wird vielleicht auch verständlich werden, warum vor Jahrzehnten die Zahnärzteschaft so vehement für die Pflichtmitgliedschaft aller Zahnärzte in Kammer und (sofern sie an der Versorgung der gesetzlichen Versicherten teilnehmen wollten) KZV gestritten hat und warum die jetzt vorgenommenen hektischen Gründungen von privatrechtlichen Ersatzkassen (natürlich unter der Führung des FVdZ) einen Rückschritt darstellen. Es ist ein Versäumnis der Kammern und KZV-Vorstände, sich mit dieser historischen Entwicklung und ihren Konsequenzen nicht beschäftigt und aus den Fehlern der Vergangenheit nicht die notwendigen Konsequenzen gezogen zu haben. Mit einer Zersplitterung der Zahnärzteschaft durch eine schleichende Kompetenzbeschränkung der KZV erfolgt auch eine schleichende Demontage. Es kann vorstellbar sein vor dem Hintergrund, dass die Politik das Ziel verfolgt, von immer weniger Zahnärzten die Versorgung der Bevölkerung sicherstellen zu lassen, dass es auch zu noch deutlicheren Einkommensunterschieden unter den Praxen kommen könnte. Dies wiederum könnte negative Auswirkungen zum Beispiel auf die Struktur einer berufsständischen Altersversorgung und ihre Sicherstellung durch den unabdingbaren regelmäßigen Beitrag haben und die ohnehin nur schwache Verankerung der Zahnärzteschaft kann man hier nur an Erfahrungen in Berlin berichten im Bewusstsein ihrer Mitglieder als ihr Selbstverwaltungsorgan weiter schwächen.
Für die Berliner Zahnärztekammer kann gesagt werden, dass eine Auseinandersetzung mit diesen Tendenzen und ihrer Ursache nicht erkennbar ist. Nach einer Phase des Aufbruchs zu Beginn der Neunzigerjahre ist die derzeitige Arbeit der Zahnärztekammer, wie schon in früheren Jahren, davon gekennzeichnet, dass nur auf gesundheitspolitische Herausforderungen, zum Beispiel Berufsordnung, Fortbildung, Qualifizierung des Personals etc., erneut nur reagiert wird. Stattdessen wäre es an der Zeit, diese Entwicklung frühzeitig und breit zu diskutieren und Einfluss auf sie zu nehmen, um sie zu gestalten.
H. Dohmeier-de Haan
Aus dem MBZ 06/1991:
Helferinnen fallen nicht vom Himmel,
nur Zahnärzte fallen aus allen Wolken, wenn sie zahnärztliche Helferinnen suchen. Seit Jahren verschärft sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt, die Sonntagszeitungen sind spaltenweise mit Gesuchen gefüllt, und alle Praxisinhaber klagen über Personalmangel.
In den alten Bundesländern und besondersim süddeutschen Raum ist die Lage z.T. kata- strophal.
Durch die Umstellung der Ausbildungszeit von zwei auf drei Jahre wird in Berlin in diesem Jahr ein Ausbildungsjahrgang ausfallen.
In Berlin (West) wird der Mangel teilweise kaschiert, da viele Stomatologische Schwestern aus Berlin (Ost) und Brandenburg abwandern. Dadurch wird der Mangel in dieneuen Bun- desländer exportiert.
Da helfen weder Verordnungen noch Klagen, da hilft nur eines: Ausbilden!!!
Im Gegensatz zu den alten Bundesländern gibt es auf diesen Gebieten aus den neuen Bundesländern Erfreuliches zu berichten:
Es gibt Hunderte von hochmotivierten qualifizierten Schulabgängern, die eine Lehrstelle suchen. Hier bietet sich die einmalige Chance, qualifizierte Mitarbeiterinnen zu bekom-
men. Natürlich kostet Ausbildung Zeit, Geld und Einsatz. Es ist nicht damit getan, einen Ausbildungsvertrag zu unterschreiben. Nur gründliche Ausbildung bringt qualifiziertes Fachpersonal (Siehe auch MBZ Seite 30-32).
In Berlin (Ost) und in den neuen Bundesländernwird jeder in 1991 neu geschaffene Ausbil- dungsplatz außerdem mit DM 5.000,- vom Staat honoriert. Einzelheiten sind bei den Ar- beitsämtern zu erfragen.
Bei der Entscheidung zur Ausbildung sollten wir neben den subjektiven Gründen noch eines bedenken:
Nichts ist schlimmer, als wenn jungen arbeitswilligen Leuten das Gefühl vermittelt wird: Ihr werdet nicht gebraucht, für euch gibt es keinen Platz.
Sie haben das Recht auf Arbeit und Ausbildung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Ihre Überlegung sollte daher nicht sein: Brauche ich im Augenblick eine Auszubildende, sondern: Könnte ich ausbilden?
Wenn ja, dann tun Sie es.
Karl-Heinz Löchte
M B Z JUNI 91
Wirklich sehr interessante Rückschau auf das Jahr 2002 ( deshalb auch in Worten: Jahr Zweitausendzwei)!
Danke Helmut